
Mensch, Maschine, Medizin – Freiburg gestaltet die Zukunft klinischer Entscheidungsunterstützung
Ein Gespräch zwischen Prof. Heinz Wiendl und Dr. Vera Rödel über das Zusammenspiel von KI und ärztlicher Expertise
Prof. Heinz Wiendl, Direktor der Neurologie an der Universitätsklinik Freiburg, und Dr. Vera Rödel, Gründerin und CEO von Prof. Valmed – validated medical information GmbH, sprechen über die Chancen und Herausforderungen eines KI-gestützten Gesundheitswesens.
Herr Professor Wiendl, Sie setzen an der Universitätsklinik Freiburg erstmals ein KI-basiertes Clinical Decision Support System flächendeckend ein. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Wiendl: Wir erleben täglich die Grenzen menschlicher Verarbeitungskapazität. Ärzte müssen Entscheidungen in Sekunden treffen, während die verfügbare medizinische Information exponentiell wächst. Prof. Valmed® hilft uns, diese Datenflut zu beherrschen – nicht, indem es den Arzt ersetzt, sondern indem es ihn stärkt. Es ist ein „medizinischer Co-Pilot“, der evidenzbasierte Informationen bereitstellt, Quellen offenlegt und klinische Entscheidungen nachvollziehbar macht.
Dr. Rödel, was macht Prof. Valmed® aus technischer Sicht so besonders?
Rödel: Prof. Valmed® ist das erste CE Klasse 2b-zertifizierte Large Language Model in der klinischen Entscheidungsunterstützung. Das bedeutet: Es ist als Medizinprodukt geprüft, validiert und erklärbar. Grundlage ist eine kuratierte medizinische Bibliothek mit über 2,5 Millionen validierten Dokumenten, kombiniert mit einem Retrieval-Augmented-Generation-System. So entstehen faktisch halluzinationsfreie Antworten – mit einem Sicherheitsindex von nur 0,26 %.
Wie verändert das System den Klinikalltag?
Wiendl: Wir beobachten bereits jetzt eine enorme Zeitersparnis. Ärztinnen und Ärzte greifen auf evidenzbasierte Informationen zu, ohne lange zu recherchieren. Es fördert strukturierte Entscheidungen, dokumentiert Empfehlungen kontextbezogen im System und macht Therapieentscheidungen reproduzierbar. Das stärkt Vertrauen – bei den Teams und letztlich bei den Patienten.
Neben dem Tool selbst haben Sie die Valmed A(I)cademy® gegründet. Welche Rolle spielt Bildung in diesem Wandel?
Rödel: Eine zentrale. Technologie allein reicht nicht. Der EU AI Act verlangt, dass Fachkräfte verstehen, wie KI-Systeme funktionieren, welche ethischen und datenschutzrechtlichen Grenzen gelten. Die A(I)cademy® vermittelt genau dieses Wissen – praxisnah, CME-akkreditiert und abgestimmt auf die klinische Realität. Wir sprechen über „Medical Professional 2.0“ – Ärzte, die KI kompetent und verantwortungsvoll einsetzen.
Herr Professor Wiendl, was bedeutet dieses Projekt für die Medizin in Deutschland?
Wiendl: Es zeigt, dass verantwortungsvolle KI kein Zukunftsthema ist, sondern gelebte Praxis. Freiburg ist ein Leuchtturm dafür, dass Mensch und Maschine nicht Gegensätze sind, sondern Partner. Entscheidend ist, dass wir Validität, Transparenz und klinische Kontrolle nie aus den Augen verlieren.
Dr. Rödel, ein Ausblick – wohin geht die Reise?
Rödel: Prof. Valmed® ist modular und integrierbar – von der Klinik bis zur Telemedizin. Wir starten mit Partnern in ganz Europa und planen den Rollout in die USA und Asien. Unser Ziel ist eine Medizin, die datengetrieben, präventiv und zugleich zutiefst human bleibt. Wenn KI Ärztinnen und Ärzten mehr Zeit für das Wesentliche gibt – ihre Patienten – dann haben wir viel erreicht - ich möchte hier Heinz Wiendl mit einem Augenzwinkern zitieren: „Wir streben die Valmedisierung der Welt an!“
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