Innovation braucht Mut – und ein funktionierendes Geschäftsmodell

Herr Puls, Sie sind heute an der Schnittstelle von Technik, Digitalwirtschaft, Forschung und Gesundheit tätig. Wie hat Ihr beruflicher Weg begonnen?

Ich habe internationale Wirtschaftswissenschaften studiert und zehn Jahre in der Unternehmensberatung im Energieumfeld gearbeitet: bei KPMG, Deloitte und später sechs Jahre bei Baringa Partners in London und Düsseldorf. Mich hat immer angetrieben, an Zukunftsthemen zu arbeiten und Dinge neu zu schaffen. 2018 bin ich von Düsseldorf nach Berlin gegangen, weil ich mich stärker mit Digitalem und Start-ups beschäftigen wollte. Ich hatte schon damals das Gefühl, dass sich der Arbeitsmarkt in Zukunft massiv verändern wird, und wollte neue Kompetenzen aufbauen und meine Komfortzone verlassen. So kam ich zuerst für den Bereich Business Development, später als Geschäftsführer in ein junges Healthtech-Start-up, wo ich schnell gemerkt habe, dass mich die Verbindung von Technologie und Zukunftsthemen in der Gesundheitswirtschaft wirklich begeistert.

Was hat Sie an digitalen Innovationen im Gesundheitswesen und speziell an der Arbeit mit Parkinson besonders fasziniert?

Das war tatsächlich Zufall nach meiner Zeit in der Berliner Start-up-Welt. Bei der Gerresheimer AG (produziert Primärverpackung für Pharma) suchte man damals nach neuen digitalen Ansätzen im Bereich Parkinson, nachdem vorherige Projekte gescheitert waren. Ich bekam im Bewerbungsprozess die Aufgabe, ein Konzept zu entwickeln – und das hat mich sofort gepackt. Dafür neue Lösungen zu entwickeln, fand ich extrem spannend und sinnstiftend. Später war ich dann verantwortlich für das globale Digital Therapeutics bzw. Digital Health Solutions Portfolio.

Welche Innovationen sehen Sie aktuell als besonders spannend im Bereich Parkinson?

Da gibt es einiges und mich interessiert derzeit vor allem der Bereich Therapie. Ich würde das konkret unter dem Begriff „Hybridtherapie“ zusammenfassen. Es geht darum, medikamentöse und digitale Ansätze intelligent zu verbinden. Entscheidend wird sein, Therapien stärker datenbasiert zu gestalten, z. B. mit Wearables, die Gang- oder Schlafverhalten messen, und Sensoren, die künftig vielleicht sogar den Dopaminspiegel erfassen können – wie die Insulinmessung am Oberarm. So lassen sich der Krankheitsverlauf früher erkennen und basierend auf Near-Time oder Real-Time Daten individueller begleiten und Medikamente besser dosieren. Auch die Integration von Tiefenhirnstimulatoren in ein „Closed-Loop-System“ ist denkbar. Und trotzdem werden Neurologen und Therapeuten weiterhin eingebunden – die menschliche Komponente bleibt wichtig.

Viele Innovationen schaffen es nicht aus der Forschung in die Praxis. Woran liegt das?

Das größte Problem ist oft das fehlende Geschäftsmodell. Wenn eine Innovation nicht erstattungsfähig ist oder es keine Selbstzahler gibt, wird sie sich im System sehr wahrscheinlich nicht durchsetzen. Wir brauchen schnellere Wege zur Erstattung und mehr Mut, neue Ansätze auch zu finanzieren. Sonst werden auch in Zukunft viele gute Ideen die Patienten nie erreichen.

Sie lehren an der FH Wiener Neustadt und dem imc Krems den Kurs „Digitale Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen“. Was möchten Sie Ihren Studierenden mitgeben?

Zunächst einmal möchte ich Horizonte öffnen. Viele sehen Digitalisierung nur als digitales Aktenmanagement im Krankenhaus. Ich will zeigen, was wirklich möglich ist und dass sie selbst ein Teil davon sein können. Wir simulieren Gründungen, entwickeln Geschäftsmodelle und holen Experten aus der Praxis dazu. Mir geht es um unternehmerisches Denken, Neugier und den Mut, Verantwortung zu übernehmen.

Ihr zweites Buch „Digitale Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen“ ist gerade auf Englisch erschienen. Worum geht es darin und was war Ihre Motivation?

Das Buch hat vor fünf Jahren die digitale Gesundheitswelt im DACH-Raum zum ersten Mal zusammengebracht. Unsere Welt ist aber internationaler geworden und hat sich extrem vernetzt. Daher ist das zweite Buch globaler, mit Gründern von Brasilien bis Malaysia und weiteren Top-Experten und Entscheidern aus dem In- und Ausland. Mich interessiert, was Menschen antreibt, das System zu verändern. Es geht um Mindset, Unternehmertum und die Frage, wie Innovationen entstehen. Aber immer auch darum, wie man damit Geld verdienen kann.

Matthias Puls gestaltet die digitale Transformation im Gesundheitswesen an der Schnittstelle von Medizintechnik und Pharma. Als Geschäftsführer von Puls & Partners Advisory entwickelt er innovative Geschäftsmodelle und Markteinführungsstrategien für digitale Gesundheitslösungen – von der Konzeptphase bis zur Kommerzialisierung. Zudem ist er CEO der Ceregate GmbH, die mit einer minimalinvasiven Computer-Brain-Interface-Technologie neue Wege in der Behandlung neurologischer Erkrankungen eröffnet.

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