Der Dunning-Kruger-Effekt

In den meisten Diskussionsrunden gibt es LAUTE Stimmen, die zu scheinbar jeder Aussage eine klare und fundierte Meinung haben. Und dann gibt es die Leisen, die sich vorsichtig im Hintergrund halten. Auf den ersten Anschein möchte man meinen: Je lauter, desto mehr steckt dahinter. Doch stimmt das wirklich? Der Dunning-Kruger-Effekt sagt: Ganz im Gegenteil! Sehen wir uns das genauer an. 

Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Menschen mit geringerer Erfahrung oder weniger Wissen zu einem Thema manchmal dazu tendieren, unbewusst ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Auf der anderen Seite können sehr erfahrene Personen dazu neigen, ihre eigene Expertise allzu kritisch zu hinterfragen und zeigen sich damit eher zurückhaltend. Warum ist das so? Je mehr wir wissen, desto bewusster wird uns, wie komplex ein Thema ist und wie viel es noch zu lernen gibt. Anders gesagt: Wahre Kompetenz bringt oft mit sich, dass wir vorsichtiger auftreten, weil wir uns unserer Wissenslücken bewusst sind - und das ist eine echte Stärke. 

Das Phänomen ist mit einem Blick in den Sternenhimmel vergleichbar. Anfangs siehst du nur ein paar helle Sterne und glaubst, das gesamte Bild wahrnehmen zu können. Doch je länger du hinsiehst, je tiefer du eintauchst, desto mehr Sterne werden sichtbar - bis dir klar wird, dass das Universum unendlich groß ist. 

Was bedeutet das konkret für unseren Alltag? Der Dunning-Kruger-Effekt  ist tatsächlich mehr als nur eine interessante Theorie - er begegnet uns in vielen Lebensbereichen. Vielleicht hast du selbst schon einmal erlebt, dass du dich zurückgehalten hast, obwohl du dich eigentlich gut auskanntest, weil du dich gefragt hast: “Weiß ich wirklich genug?” Oder du hast beobachtet, wie ein:e neue:r Kolleg:in vorschlägt, die gesamte Projektstruktur zu ändern - ohne die Komplexität dahinter zu kennen. Solche Momente zeigen, wie unterschiedlich Menschen mit Wissen und Unsicherheit umgehen. Dieses Hinterfragen, das oft mit zunehmender Expertise einhergeht, kann uns manchmal zögern lassen, laut unsere Meinung zu äußern. Dabei ist genau diese Reflexion ein Zeichen von Kompetenz und Offenheit. Die Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, fundiertes Wissen selbstbewusst einzubringen, ohne sich von der Unsicherheit lähmen zu lassen. Hier sind ein paar Tipps, wie dir das gelingen kann: 

1. Vertraue deiner Expertise: Erinnere dich daran, dass dein Wissen fundiert ist, gerade weil du die Grenzen deiner Kompetenz kennst. Diese Demut ist eine Stärke, keine Schwäche!

2. Akzeptiere, dass du nicht alles wissen kannst: Selbst die größten Expert:innen haben Wissenslücken. Mache dir bewusst, dass du deine Meinung zu einem Thema äußern darfst, auch wenn du dieses nicht in vollem Umfang beherrschst. 

3. Stärke deine innere und äußere Haltung: Wusstest du, dass Körpersprache nicht nur nach außen, sondern auch nach innen wirkt? Nimm eine aufrechte Haltung ein, bevor du für deine Meinung eintrittst und atme tief durch. Allein diese kleine Veränderung sendet deinem Gehirn das Signal: “Ich weiß, was ich tue.”

Der Dunning-Kruger-Effekt zeigt, dass Wissen nicht nur darin besteht, Informationen zu besitzen, sondern vor allem darin, unsere eigene Kompetenz zu reflektieren. Besonders wichtig ist, dass wir unsere Expertise nicht durch übermäßige Selbstkritik verstecken. Stattdessen können wir lernen, mit Offenheit, Neugier und einem gesunden Selbstbewusstsein in Diskussionen aufzutreten. Denn echtes Wissen zeigt sich nicht in der Lautstärke der Stimme, sondern in der Bescheidenheit und der Bereitschaft, etwas dazuzulernen.

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Dr. Bernadette Frech
CEO bei Instahelp, der Plattform für psychologische Beratung online